Das Team der Stabsstelle Grundsatz- und Zukunftsfragen war zu Besuch auf der re:publica, ein großes und jährlich stattfindendes Festival zu Themen der digitalen Gesellschaft in Europa – dieses Jahr unter dem Motto „Cash“. Hier wird Digitalisierung als kein rein technisches, sondern primär gesellschaftliches Thema verhandelt. Von Vorträgen zur Verwaltungsdigitalisierung bis zu Diskussionen rund um digitale Souveränität: Die zahlreichen Themen bei der re:publica sind auch für die Wohlfahrtsverbände relevant.
Janette, Lorenz und Hanna reflektieren: Welches Programm hat sie interessiert und warum? Welche Eindrücke hat die re:publica hinterlassen?
3 Portraits in runden Rahmen: 1. Portrait: Eine Frau lächelt frontal in die Kamera. 2. Portrait: Ein Mann mit Brille blickt lächelnd von der Seite in die Kamera. 3. Portrait: Eine Frau mit Brille lächelt frontal in die Kamera

Janette

Mich hat besonders der Workshop „Kollaborative Sprint-Challange: 10 Lernformate mit Veränderungskompetenz als Lernziel“ interessiert. Als Community Managerin bin ich immer an neuen Formaten des von und miteinander Lernens interessiert und tüftele gern an der Übertragung analoger Methoden in den digitalen Raum. Inspirierende Elemente des Workshops waren für mich vor allem der Aufbau, immer wieder in unterschiedlichen Kleingruppen zusammenzukommen und in stark begrenzter Zeit gemeinsam zu einer Fragestellung zu brainstormen, die Methode, haptische Dinge zweckzuentfremden und sich davon kreativ anregen zu lassen sowie eine Abstimmungsmethode zur gemeinsamen Priorisierung von Ideen. Ich freue mich schon darauf, diese Methoden in einem meiner nächsten Community-Workshops auszuprobieren.

Hanna

Die re:publica hat für mich das besonderes Gefühl, Teil einer Avantgarde zu sein, transportiert. Hier beschäftigen sich kluge und gebildete Menschen mit Themen von morgen. Als irritierend empfand ich den vorherrschenden elitären Duktus: Bei gleich mehreren Ministerien konnte man sich mit seinem CV vorstellen, 1qm Ausstellungsfläche kostet auch für gemeinnützige Träger sehr viel Geld und Google befand sich äußerst präsent in der größten Ausstellungshalle.

Umso spannender fand ich es, auch ein paar (wenige) staatskritische Töne im Beitrag Tracked, read out, destroyed: smartphones of people on the move in the focus of state authorities mitzunehmen. Hier erläuterten Aktivist*innen und Referent*innen verschiedener NGOs, wie die überlebenswichtigen Smartphones von Migrant*innen und Geflüchteten ins Visier von Polizei-, Grenz- und Migrationsbehörden geraten. Signale von Mobiltelefonen werden auf hoher See oder an einer Landgrenze geortet, um die Menschen an der Einreise zu hindern oder zumindest polizeilich zu dokumentieren. Die Beschlagnahmung von Mobiltelefonen ist zur gängigen Praxis von Grenzpolizei und Asylbehörden geworden; auch in Deutschland. Polizei und Behörden lesen Daten aus und speichern diese, um mutmaßliche Schleuser*innen oder andere Helfende zu ermitteln, oder um die Identität ihrer Besitzer*innen zu überprüfen. Dabei werden auch persönliche und sensible Daten erfasst.

Es tat gut zu sehen, dass sich manche der klugen und zukunftsgerichteten Intellektuellen auch mit Fragen beschäftigen, die die Peripherie und die Marginalisierten betreffen und nicht nur auf der Jagd nach dem nächsten großen Karrieresprung sind.

Lorenz

Alles Cash? Nein, KI & die Zukunft waren ein heimliches Hauptthema dieser re:publica. Wo sich der Diskurs aktuell stark zwischen technofuturistischen Äußerungen von Turbokapitalisten wie Sam Altman (OpenAI) und den ebenso wirtschaftlich getriebenen Regulationsüberlegungen der EU bewegt, boten die Vorträge die Gelegenheit an zu erfahren, wie mit diesem schillernden Begriff gerade Zukunft gemacht wird. Einen guten Start in das Thema bietet der Vortrag von Björn Ommer, einer der Köpfe hinter Stable Diffusion. Stärker einordnend zeigt dann Merideth Wittaker in ihrem Vortrag, wie der Begriff schon in den 1950er Jahren in der Forschungs- und Förderlandschaft programmatisch in Position gebracht wurde und wie er in der Folge im Überwachungskapitalismus produktiv gemacht werden konnte. Daran anschließend lohnt sich der Talk des Journalisten tante, der sehr kritisch auf den aktuell verengten Diskurs zu KI blickt und Alternativen aufzeigt.